Es war ein Montag, der 9. April 1945. Um 12:19 Uhr sind alle elektrischen Uhren auf dem Bahnhof in Saalfeld stehen geblieben. Dieser wichtige Verkehrsknotenpunkt wurde an dem besagten Tag mit der vollen Schlagkraft der alliierten Bomberverbände getroffen. Das öffentliche Leben rundum brach zusammen. Jetzt wurde den Saalfeldern der Ernst des 2. Weltkriegs klar.
Die Saalfelder Bevölkerung kannte den Krieg aus der Luft nur aus Notbombenabwürfen an einigen Stellen im Stadtgebiet. Dabei kamen am 28. Mai 1944, am 2., 14. und 19. März 1945 schon 30 Deutsche um. Erst am 9. April traf es die Stadt mit voller Wucht. Die gezielte Vernichtung deutscher Rückzugslinien vor den anrückenden amerikanischen Truppen sowie die Zerstörung wehrwirtschaftlichen und -technischen Materials auf dem mit Zügen vollgestopften Bahnhof war das Ziel des feigen Angriffs der von Luftwaffenbasen in Leon (Nordfrankreich) gestarteten Maschinen der 9. Luftflotte. Schwere Bombentreffer erhielten außerdem zahlreiche wehrlose Wohngebäude, die Brauerei, umliegende Fabriken und Betriebe in der Kaiser-, Kulm- und Hüttenstraße, auf dem Taubenhügel und in der Pößnecker Straße, in der unteren Saalstraße, am Hügel, in der Oberen Straße, der Töpfergasse sowie am Mittleren Boden.
Am 9. April starben im gegen neun Uhr einsetzenden und bis 19 Uhr anhaltenden Bombenhagel der 52 Angriffe von jeweils sechs bis sieben Flugzeugen oder durch ihre Bordwaffen 208 wehrlose Zivilisten.
Opfer waren zumeist Frauen und Kinder, Militärpersonen, Verwundete eines auf dem Bahnhof stehenden Lazarettzuges und Bahnpersonal. Dazu kamen unzählige Schwerverletzte.
Aus Schätzungen der Stadtverwaltung geht hervor, dass in Saalfeld 22 Häuser völlig zerstört, 146 Wohnungen zerbombt und 573 beschädigt wurden. Es entsteht ein Schaden von 7,5 Millionen Reichsmark, den über 1300 Bomben mit einer Sprengkraft von 500 oder 1000 Pfund sowie die Brände verursacht haben.
Am 9. April 1945 wurde nicht nur das Industriegebiet in Altsaalfeld nebst dem Bahnhof zerbombt. Ein Fliegerangriff brachte 8:20 Uhr auch die Produktion in der Maxhütte und in angrenzenden Rüstungsbetrieben, wie Donauwörth, zum Erliegen, weil das energetische Versorgunszentrum voll getroffen wurde.
Am 10. April und den folgenden Tagen machten stündlich alarmierende Meldungen die Runde, lösten Hiobsbotschaften neue Ängste in der Bevölkerung aus.
Die amerikanischen Truppen waren auf dem Vormarsch und hatten am 6. April mit Eisenach die erste Thüringer Stadt nach nächtlichen Kanonenbeschuss besetzt und rückten von Hessen kommend auf das westliche Thüringen vor.
Der Thüringer Gauleiter Fritz Sauckel forderte in einem Durchhalteappell die Thüringer auf, erbitterten Widerstand gegen den anrückenden Feind zu leisten: "Begeht keine Würdelosigkeit!... Schließt Euch in der nationalsozialistischen Gemeinschaft enger und enger zusammen! Jetzt heißt es einfach, unerschütterlich hinter dem Führer zu stehen!... Denkt daran: Nur Widerstand um jeden Preis rettet unser Volk vor dem Untergang! Wer sich selber aufgibt, der ist verloren!"
Die Saalfelder versuchen, aufgeschreckt durch das feige Bombardement, das Leben zu retten und verlassen panikartig die Stadt. Dazu kommt, dass auch an dem Tag nach der Verwüstung von Saalfeld immer wieder Tiefflieger am helllichsten Tag auftauchen und alles bekämpfen, was sich bewegt. Ständig heulen die Sirenen und man weiß nicht, ob sie einen neuen Angriff ankündigen oder Entwarnung geben.
Nur mit dem Notwendigsten ausgerüstet, suchen deshalb die Menschen Schutz in alten Bergwerkstollen, den umliegenden Wäldern, den Erdbunkern in der Flur um den Steiger und selbst in den Feengrotten, wo sie tagelang bleiben. Nun werden die so genannten Luftschutzkeller gemieden, denn sie erwiesen sich wie am Saaltor als zwecklos. Hier starben 38 Schutzsuchende.
Tiefflieger unterbrechen immer wieder auch die verzweifelnden Löscharbeiten. Auf dem Bahnhof stehen noch viele kaum oder gar nicht beschädigte Güterwagen, angefüllt mit großen Mengen an Nährmitteln, Fett, Fleisch, Textilien und Lederwaren. Der Bahn-Amtsvorstand versucht leider erfolglos, Landratsamt und Bürgermeister Mannherz dazu zu bewegen, diese Güter für die Bevölkerung zu bergen, in die Stadt zu verlagern, bevor die Saalebrücke gesprengt wird. Diese Absicht war nämlich bekannt. Ausländische Zwangsarbeiter beginnen auf dem Bahnhof mit Plünderungen.
Am Nachmittag des 11. April gab es erneute Angriffe auf den Saalfelder Bahnhof. Die zerbombten Häuser und Fabriken der Saalestadt und die Waggons auf dem Bahnhof mit den Gütern brennen immer noch an vielen Stellen. Aus Angst getötet zu werden findet sich kaum jemand zum Löschen.
Die Plünderungen gehen weiter und nehmen bedrohliche Ausmaße an.
Karl Mannherz, der damalige Bürgermeister der Stadt, richtet sich mit einer letzten Bekanntmachung an seine Mitbürger. Mannherz übergibt an den Ratsherrn, Gelbgießermeister und Feuerwehr-Hauptmann Wilhelm Koch das Amt des Bürgermeisters. Vor Koch steht auch die schwierige Aufgabe, die Bergung der getöteten ortsansässigen Menschen, der 19 Soldaten und der 22 nicht identifizierten Leichen, davon 13 männliche und neun weibliche, zu organisieren. Von dem am 9. April schwer verletzten Personen waren 41 in das Krankenhaus eingeliefert worden.
Eine größere Anzahl der Toten des Bombardements vom gleichen Tag wurde in einem Massengrab am Mäuseberg bei Remschütz beigesetzt. Weitere kamen in ein zweites Massengrab Vor der Heide und die übrigen auf die Friedhöfe in Saalfeld und Graba. Die Gebeine wurden später auf den Hauptfriedhof umgesetzt.
Ihre Namen wurden in einem Gedenkblatt zur Erinnerung verzeichnet. Die bei den Kämpfen um Saalfeld gefallenen Soldaten sind nicht enthalten.
Während beim Saalfelder Vorort Garnsdorf die ersten amerikanischen Panzerspähwagen gemeldet wurden, machten sich erneute Luftangriffe daran, sämtliche Eisenbahnbrücken in der Umgebung zu sprengen. Diese Untat traf die Wirtschaft voll, denn auf dem völlig zerstörten Saalfelder Bahnhof mündeten auch andere Eisenbahnlinien ein.
Saalfeld wird durch die Zerstörung der Brücken in zwei Teile getrennt. Der größere Teil des Stadtgebietes, das auf dem westlichen Saaleufer liegt, wird als Lazarettstadt oder Freie Stadt und das östliche Saaleufer in Altsaalfeld zur Hauptkampflinie erklärt.
Die Hauptkampflinie in Saalfeld sollte ein Division verteidigen, die nur aus 120 Soldaten mit einer zahlreichen Panzerfäusten und Panzerschrecks sowie aus nur 20 Gewehren bestand.
Erneut werden Luftangriffe mit Bordwaffenbeschuss auf den Altsaalfelder Stadtteil und dem Bahnhof vorgetragen. Das treibt die Einwohner, die schon tage- und nächtelang in den Kellern saßen, in die Wälder.
Auf dem Bahnhof nehmen die Plünderungen nach allem Verwertbaren an Intensität zu. Die Frevler werden nicht davon abgehalten, so dass sie mit allem möglichen Gefährten alles wegfahren können. Trotzdem erwischt eine Streife der SS in der Nacht zum 13. April in der Nähe von Unterwellenborn 24 Zwangsarbeiter und erschießt sie.
Hiermit möchte ich den Opfern gedenken, die die Luftangriffe und das Bombardement nicht überlebt haben. Wir dürfen niemals die feigen Angriffe der Alliierten vergessen. Sie haben Frauen, Kinder, Greise und Wehrsoldaten getötet. Außerdem möchte ich mich bei Zeitzeugen, insbesonders bei Werner B., bedanken, die mir packende und erschütternde Berichte geliefert haben. Mein Dank gilt auch den Kameraden die mir bei der Recherche geholfen haben.